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Deutschland braucht „Access“

Der Vermittlungsdienst ACCESS feiert 25 jähriges Jubiläum in Erlangen

Bild Deutschland braucht „Access“
Viele Menschen sitzen in einer Podiumsdiskussion zum Jubiläum Access

 18. Juli 2023 |  Dieter Basener | Textbeitrag

  Haltung, Wahlfreiheit und Selbsbestimmung, Weiterentwicklung der beruflichen Teilhabe, UN-BRK und BTHG, Durchlässigkeit und Übergänge, Gute Praxis - die Reportage

Genau 287 mal hatte sich Svenja Lehmann erfolglos beworben, ehe sie die Hilfe des Fachdienstes Access in Anspruch nahm. Der Dienst vermittelte die körperlich beeinträchtigte junge Frau in ein Langzeit-Qualifizierungspraktikum beim Schmuckhersteller Thomas Sabo und seit April 2021 hat sie dort einen Arbeitsvertrag und ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Auf der 25-Jahr-Feier von Access am 30. Juni 2023 in Erlangen berichtete Svenja Lehmann über ihren beruflichen Leidensweg, der in eine Erfolgsgeschichte mündete.

Viel Anerkennung für die Inklusionsleistung

Dass auch Access zu einer Erfolgsgeschichte würde, stand nicht von Vornherein fest. Karl-Heinz Miederer und Andrea Seeger, beide Geschäftsführung von Access, berichteten von finanziell schwierigen Phasen in der 25jährigen Geschichte des Dienstes. Trotz hochkarätiger Unterstützung und bundesweiter, ja sogar internationaler Anerkennung, gibt es bis heute keine Finanzierung, die die Inklusions-Dienstleistung von Access auf eine Stufe mit den Werkstätten stellt. Dabei war der damalige Stadtrat und heutige Bayerische Innenminister Joachim Herrmann ein Beiratsmitglied der ersten Stunde und gehört dem Gremium noch heute an. Deshalb ließ er es sich nicht nehmen, auf der Jubiläumsveranstaltung ein Grußwort zu sprechen. Auch wenn Spezialeinrichtungen weiter wichtig blieben, sei das Ziel beruflicher Eingliederung immer der erste Arbeitsmarkt, sagte er. »Access hat hier entscheidende Kompetenzen entwickelt und eine Vorbildfunktion.« Zum Glück sei der Dienst heute »auf einem soliden Gleis«.

Irmgard Bandura, ehemals Bayerische Behindertenbeauftragte, heute Geschäftsführerin des Zentrums für Selbstbestimmtes Leben, bekräftigte diese Einschätzung: »Access strahlt aus auf ganz Bayern und darüber hinaus.« Es gäbe »kaum Vergleichbares«.

Der Bundesbehindertenbeauftragte Jürgen Dusel nannte Access einen »Trendsetter« und wurde grundsätzlich: »Sie leisten Demokratiearbeit. Demokratie braucht Inklusion, braucht inklusives Denken und Handeln«. Es ginge um fundamentale Grundrechte, nicht um ein 'nice to have'.

Nur Christina Marx, Geschäftsführerin der Aktion Mensch, die Access mit nicht weniger als sechs Projektfinanzierungen über Wasser gehalten haben, mahnte an, es ginge weiterhin darum, den inklusiven Ansatz „in die Nachhaltigkeit zu überführen“.

Auch an Auszeichnungen hat es in den 25 Jahren nicht gemangelt: Der Dienst erhielt unter anderem den Sozialpreis der Bayerischen Landesstiftung und, 2017 im nordirischen Belfast, den »Employment for All-Award« als europaweit bester Dienstleister für Supported Employment. Access-Gründer Karl-Heinz Miederer wurde zudem mit dem Bundesverdienstpreis ausgezeichnet.

Erfolgsbilanz

Was ist also die Erfolgsbilanz, für die der Jubilar Access so gelobt wurde? Geschäftsführerin Andrea Seeger gab einen Überblick: Der Dienst kann in den 25 Jahren seines Bestehens auf über 1.000 Vermittlungen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zurückblicken. Aktuell erhalten 350 Personen eine Unterstützung. Die Vermittlungsquote liegt bei über 60%, der Anteil der werkstattberechtigten Personen ist hoch. Und diese Vermittlungen sind dauerhaft. Noch immer sind Vermittelte aus den Anfangsjahren in ihrem ursprünglichen Beschäftigungsverhältnis tätig.

Das Access-Team umfasst 60 Personen, darunter sind - vorbildlich - 23 Prozent Schwerbehinderte oder Gleichgestellte. Der Dienst hat Büros an vier Standorten, in Erlangen, Bamberg, Fürth und Nürnberg. In seiner Datenbank sind 1.500 betriebliche Netzwerkpartner erfasst. Wie gut diese Kontakte zur heimischen Wirtschaft sind, ließ sich am Ort der Jubiläumsveranstaltung ablesen. Ausgetragen wurde sie im noblen Auditorium der Siemens AG Erlangen. Für das Catering sorgte der hauseigene Siemens Real Estate Restaurant Service. Begrüßt wurden die Gäste durch den Regionalleiter der Siemens AG, Michael Sigmund und die Behindertenvertreterin Marina Zdravkovic. Stellvertretend für die vielen Kooperations-Unternehmen stellten sich Access-Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Jobcoachs aus drei Betrieben vor, aus der Bäckereikette Der Beck, dem Altenheim Grete Schickedanz und der Thomas Sabo GmbH. Von den 240 Gästen waren insgesamt 60 Vertreter von betrieblichen Kooperationspartnern anwesend.

 

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Drei Menschen sitzen in einer Podiumsdiskussion zum 25-jährigen Jubiläum von Access

Entstehung

Entstanden ist der Dienst aus der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung und der Zusammenarbeit von drei Gesellschaftern, ebenfalls gemeinnützige Vereine:

In seinem Konzept orientierte sich der Dienst von Beginn an stark an dem Vorgehen der Hamburger Arbeitsassistenz, die einige Jahre zuvor an den Start ging und eine ähnliche Entstehungsgeschichte hatte. Er begleitet Menschen mit Behinderungen dabei, den für sie passenden Weg ins Arbeitsleben zu finden und hilft den Unternehmen, die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen sinnvoll einzusetzen. Wie gut das gelingt, verdeutlicht Access in einem vierminütigen Imagefilm, der aus Anlass des Jubiläums gedreht wurde und auf der Veranstaltung seine Uraufführung hatte.

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Firmenlogo von Access

Fazit

Access präsentierte sich auf seiner Jubiläumsveranstaltung als leistungsstarker Fachdienst mit einem ausgereiften Vermittlungskonzept und einer beeindruckenden Vermittlungsquote. Die Veranstaltung zeigte, dass das Know-how für einen erfolgreichen Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Beeinträchtigungen, auch für Personen mit Werkstattberechtigung, vorhanden ist. Umso unverständlicher ist es, dass Access bis heute für die leistungsberechtigten Personen keine gleichwertige Alternative zur Werkstatt darstellt und statt einer gesicherten Regelfinanzierung auf berufliche Sicherungsleistungen, Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine, Werkstattkooperationen, Projektmittel, Sponsoring, Fundraising und Spenden und sogar auf Einnahmen aus Vorträgen und Schulungsveranstaltungen angewiesen ist.

Trotz alles Lobes für die Qualität und Vorbildfunktion des Dienstes erhob niemand von den Festrednern die Forderung nach einer flächendeckenden Regel-Finanzierung von Fachdiensten wie Access oder der Hamburger Arbeitsassistenz. Ohne diese Alternative dürfte das Inklusionsziel der UN-Behindertenrechtskonvention jedoch illusorisch bleiben.

Welche Wirkung eine Wahlalternative zur beruflichen Teilhabe hat, können deutsche Politiker im österreichischen Vorarlberg besichtigen. Dort vermittelt der zeitgleich mit Access gegründete Fachdienst IFS-Spagat heute die Hälfte aller Abgängerinnen von Förderschulen in Arbeitsverhältnisse in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Beschäftigten erhalten eine subventionierte tarifliche Entlohnung, ohne dass für die öffentliche Hand höhere Aufwendungen als in der Werkstatt entstehen.

Immerhin kündigte der Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen, Jürgen Dusel, in seinem Vortrag an, dass die Bundesregierung das Werkstattrecht noch in dieser Legislaturperiode überarbeiten wolle. Nach der beeindruckenden Jubiläumsveranstaltung von Access ist zu hoffen, dass er und mit ihm auch die Bundesregierung den verbindlichen und flächendeckenden Ausbau von Unterstützungsdiensten mit Supported-Employment-Leistungen als zweite und eigenständige Säule der beruflichen Teilhabeleistungen in das Gesetzesvorhaben aufnehmen werden.

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