Ergebnisse der bag if Jahrestagung 2023
Am 23. und 24. Mai fand in Stuttgart die diesjährige Jahrestagung der bag if statt. Ihr Motto. »Inklusionsunternehmen – Wirkungsvoll die Zukunft gestalten«. Mit mehr als 300 Teilnehmern war sie gut besucht, darunter waren auch Gäste aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung.
Inklusionsunternehmen bewährten sich seit über 40 Jahren als Modell der inklusiven Beschäftigung von Menschen mit und ohne Behinderung, erklärte zur Eröffnung der Tagung Ulrich Adlhoch, der 1. Vorsitzender der bag if. Gerade in Krisenzeiten müssten aber die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass sie weiterhin ihren gesetzlichen Auftrag wahrnehmen, ihre Wachstumspotentiale ausschöpfen und Beschäftigungsmöglichkeiten sichern könnten. Er forderte mehr Rechtssicherheit bei der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes. Dieser müsse als Nachteilsausgleich für gemeinnützige Inklusionsunternehmen gesetzlich fest verankert werden. Zudem regte er eine Umstellung der Fördersystematik aus der Ausgleichsabgabe an und sprach sich dafür aus, die Pro-Kopf-Förderung von Inklusionsunternehmen zu einer ganzheitlichen Förderung weiterzuentwickeln.
Dr. Markus Groß-Engelmann und Miriam Bingemann von der concern GmbH stellten die Ergebnisse der bag if-Studie MehrWirkung vor, die die Bundesarbeitsgemeinschaft gemeinsam mit der concern GmbH und der Universität Bayreuth erstellt hat. Mit ihr gelang es erstmalig, belastbare Wirkungsnachweise des gesellschaftlichen Mehrwerts von Inklusionsunternehmen zu erbringen. Neben einer Unternehmensbefragung wurden die Mitarbeitenden und Kund*innen von Inklusionsunternehmen sowie die Integrations- und Inklusionsämter in die Befragung einbezogen. Den Rahmen der Studie bilden die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Sie weist nach, dass Inklusionsunternehmen eine Wirkung in mindestens sieben dieser Ziele erzielen und auf vielfältige Weise zu menschenwürdiger Arbeit, sinnstiftenden Kund*innenbeziehungen und einer inklusiven und nachhaltigen Gesellschaft beitragen. Weitere Informationen zur Studie MehrWirkung finden Sie hier.
Dr. Sebastian Schaube, Referent aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), stellte die neue »Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen« vor. Sie soll geeignete Rahmenbedingungen und Anreizsysteme schaffen, um die Entwicklung gemeinwohlorientierter Unternehmen und sozialer Innovationen zu beschleunigen und zu skalieren. Eine wesentliche Rolle spielt der verbesserte Zugang zu Wirtschaftsförderprogrammen und Finanzierungsmöglichkeiten. Mit dem Programm »REACT with impact – Förderung des Sozialunternehmertums« und dem ergänzenden Förderaufruf »Stärkung gemeinwohlorientierter Unternehmen durch grundlegende Unterstützungsangebote« hat das BMWK in diesem Jahr bereits die ersten Förderprogramme auf den Weg gebracht. Darüber hinaus sieht die Nationale Strategie die Unterstützung von Neugründungen vor. Geplant sind weitere Unterstützungs- und Beratungsstrukturen sowie Angebote und Maßnahmen in zahlreichen Handlungsfeldern (u.a. Vernetzung und Kollaboration, öffentliche Beschaffung, Forschung, Wirkungsorientierung und -messung). Die Veröffentlichung der Strategie ist für das 3. Quartal 2023 geplant.
Im inklusionspolitischen Fachgespräch diskutierten die Gäste die »Zukunft des inklusiven Arbeitsmarktes vor dem Hintergrund der Digitalisierung, des Fachkräftemangels und des Krisenmanagements«. Die wichtigsten Aussagen:
- Dr. Annette Tabbara, Leiterin der Abteilung V im BMAS, verwies auf die bereits erreichten gesetzlichen Änderungen: Die Einführung der 4. Stufe in der Ausgleichsabgabe, die Streichung des Vermittlungsauftrags für Inklusionsbetriebe und die zweckgebundene Verwendung der Ausgleichsabgabe zur Förderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie die einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber.
- Für Katrin Langensiepen, EU-Abgeordnete Bündnis 90/Die Grünen, ist die Grundlage für eine inklusive Arbeitswelt ein inklusives Bildungssystem und ihr Maßstab die UN-BRK. Der zuständige UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen habe Deutschland zum Abbau von Sonderstrukturen aufgefordert. Eine große Herausforderung sei zudem das Thema Barrierefreiheit, insbesondere in ländlichen Regionen.
- Simone Fischer, Landesbehindertenbeauftragte in Baden-Württemberg, sprach sich für eine Stärkung der Inklusionsbetriebe aus und verwies auf die aktuelle »Erfurter Erklärung« der Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern. Zur Umsetzung eines inklusiven Arbeitsmarktes wünschte sich Frau Fischer mehr Mut zum Handeln.
- Als Inklusionsunternehmer erklärte Mario Bartholomaeus, Geschäftsführer DeColor24 GmbH, dass man in schwierigen Zeiten nicht nur Leidenschaft, Fachkenntnis und eine hohe Sozialkompetenz benötigt, sondern auch die Unterstützung der Inklusionsämter.
- Christoph Beyer, BIH-Vorsitzender, versicherte, dass die Inklusionsämter verlässliche Partner der Inklusionsbetriebe sind: »Sie werden gebraucht und wir wissen, was wir an Ihnen haben.«
- Claudia Rustige, Geschäftsführerin der bag if, forderte, inklusionshemmende Förderstrukturen auf dem Arbeitsmarkt abzubauen und inklusionsfördernde Entwicklungen zu stärken. Inklusionsunternehmen benötigten eine rechtssichere Lösung bei der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes. Auch die Vergabe öffentlicher Aufträge müsse rechtlich geschärft werden. Angesichts konstant steigender Personalkosten regte sie zudem eine Dynamisierung bei der Erhöhung des besonderen Aufwands an.
Matthias Münning, ehemaliger LWL-Sozialdezernent und BAGüS-Vorsitzender, stellte seinen Vortrag unter die Fragestellung: »Inklusion im Arbeitsmarkt ohne Sonderstrukturen – Utopie oder realistische Perspektive?«. Er entwickelte die Vision eines Arbeitsmarktes ohne Sonderstrukturen und machte dazu sechs konkrete Vorschläge, die als Grundlage für eine Revision der beruflichen Eingliederungshilfe verstanden werden können. Einzelheiten dazu finden sich in dem nebenstehenden Beitrag »Arbeitsmarkt ohne Sonderstrukturen – eine realistische Perspektive«.
Frank Dopheide, Bestseller-Autor und Unternehmensgründer, begann seinen Beitrag »Mensch oder Zahl – Wo steckt der echte MehrWert?« mit einer düsteren Beschreibung der Unternehmenswelt: Alle Unternehmen werden nach Zahlen geleitet und der Mensch sei nur ein kleines Rad im Getriebe der Excel-Systeme. Die Manager in den Führungsetagen seien austauschbare Charaktermasken und laufen Gefahr, von Künstlicher Intelligenz verdrängt zu werden. Diesem Zerrbild der Unternehmenswelt widerspricht Frank Dopheide klar. Für ihn steht der Mensch mit seiner Kreativität im Mittelpunkt jedes Unternehmens: »Die entscheidende Variable jeder Erfolgsformel ist der Mensch.« Um Mitarbeitende zu erreichen und langfristige Beziehungen aufzubauen, sei Wertschätzung von großer Bedeutung: »Wert ist kein Preisschild, sondern ein tiefes Gefühl im Menschen.« Auch Inklusion sei Ausdruck einer wirkungsvollen und wertvollen Orientierung. Die anwesenden Inklusionsunternehmer*innen beglückwünschte Frank Dopheide zu ihrer Arbeit: »Inklusionsunternehmen machen uns wieder menschlicher.«
Zum Abschluss fasste Ulrich Adlhoch die Ergebnisse der Tagung wie folgt zusammen: »Die bag if Jahrestagung ist ein wichtiges Forum, um die Inklusion im Arbeitsmarkt mit Expertinnen und Experten unterschiedlichster Couleur zu diskutieren. Mitglieder und Gäste schätzen den fachlichen Austausch, die vielfältigen Impulse und die Möglichkeiten zum Netzwerken. Für uns ist es wichtig, das Potential unserer Unternehmen für einen inklusiven Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt zu rücken.«
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