Mehr Vielfalt, Wahlfreiheit und Zugänge zum Arbeitsmarkt
Hamburgs ungewöhnliche Erfolgsformel: Wettbewerb + Kooperation

Wie lässt sich der Zugang zum Arbeitsmarkt schon nach der Schule öffnen? Wie kann man Werkstattberechtigten ermöglichen, sich von Beginn an für ihren eigenen Weg ins Arbeitsleben zu entscheiden? Auf diese heute immer noch aktuellen Fragen fand Hamburg bereits vor über 30 Jahren eine Antwort. Sie lautete: Wir ermöglichen Inklusion und Wahlfreiheit durch Wettbewerb und Kooperation. Im Jahr 1992 startete die Hamburger Arbeitsassistenz (HAA) als ein Pionierprojekt nach dem Supported-Employment-Ansatz. Sie bot eine Alternative zum Werkstattweg und vermittelt bis heute Menschen mit Lernschwierigkeiten gezielt in eine betriebliche Festanstellung.
Seitdem gilt Hamburg als Vorzeigestadt für berufliche Inklusion, erstaunlicherweise, ohne dass dies die Entwicklung in Deutschland nachhaltig beeinflusst hätte. Die gängige Erklärung dafür lautet: "Hamburg ist anders. Die Bedingungen dort sind mit anderen Regionen nicht vergleichbar." Diesen 'Glaubenssatz' wollten wir hinterfragen und haben mit Vertretern der Hamburger Werkstätten und der Hamburger Arbeitsassistenz die Entwicklung der letzten 30 Jahre Revue passieren lassen und die Erfolge und Schwierigkeiten sowie die Übertragbarkeit des Hamburger Wegs diskutiert.
Unsere Gespächspartner*innnen waren:
- Marta Redondo von der alsterarbeit gGmbH / Evangelische Stiftung Alsterdorf. Sie ist seit 2000 bei der alsterarbeit tätig und seit 2018 Leiterin des integrationsservice arbeit (isa).
- Sven Neumann von den Elbe-Werkstätten. Er ist seit 2010 in der Vermittlung tätig und leitet den Bereich "Arbeit inklusiv" der Elbe-Werkstätten.
- Achim Ciolek von der Hamburger Arbeitsassistenz. Er war von Projektbeginn an der Leiter und später Geschäftsführer der HAA.
Wir haben die Gesprächsthemen und zentralen Aussagen des Gesprächs zusammengefasst:
Welche Auswirkungen hatte die Gründung der Hamburger Arbeitsassistenz?
Sven Neumann, Elbe-Werkstätten: Die Gründung der Hamburger Arbeitsassistenz war ein Meilenstein. Ohne sie wäre Hamburgs Inklusionsentwicklung noch lange nicht so weit und auch wir Werkstätten hätten uns nicht so vielfältig aufgestellt. Die Elbe-Werkstätten starteten zum Beispiel bereits in den 90ern mit externen Arbeitsgruppen. Ab 1998 folgten Qualifizierungsgänge wie "Helfer in der Altenpflege" oder "Chance 24" mit Gastronomie und Einzelhandel. Nach der Modellphase wurden sie im Berufsbildungsbereich als "Ambulanter BBB" weitergeführt. Daraus entstanden betriebsintegrierte Einzelarbeitsplätze und letztlich die Abteilung "Arbeit inklusiv". Für den Kostenträger war die Gründung der Arbeitsassistenz ein Paradigmenwechsel. Statt auf das Werkstattmonopol setzte Hamburg nun auf den Wettbewerb und auf Wahlmöglichkeiten. Ähnlich wie im Wohnbereich, wo durch unterschiedliche Anbieter schon früh die traditionellen Heime durch Wohngruppen und ambulante Lösungen ersetzt wurden, führte das auch im Bereich Arbeit zu Vielfalt und Flexibilität.

Sven Neumann, Elbe-Werkstätten

Achim Ciolek, Hamburger Arbeitsassistenz
An wen richtete sich das Angebot der Hamburger Arbeitsassistenz?
Achim Ciolek, Hamburger Arbeitsassistenz: In unserer Projektphase von 1992 bis1994 lag unser Fokus auf Werkstattbeschäftigten aus dem Arbeitsbereich, Menschen, die schon länger auf eine Chance im Arbeitsmarkt gewartet hatten. Sie waren meist um die 30 Jahre alt, motiviert und der Übergang gelang mit unserem Konzept relativ leicht. Nach drei Jahren und 50 erfolgreichen Platzierungen verschob sich der Fokus auf Schulabgänger*innen und wir haben erkannt, dass die häufig eine längere Phase der beruflichen Orientierung und Qualifizierung benötigen. Ihnen fehlt noch eine strukturierte Berufsorientierung und im Anschluss eine schrittweise Heranführung an die Arbeitswelt. Was wir brauchten, war die dazu nötige Finanzierung und die gesetzliche Grundlage, zumal das dafür gedachte Angebote des Berufsbildungsbereichs an die WfbM gebunden war.
Welche Maßnahmen nutzte die Hamburger Arbeitsassistenz nach der Projektzeit?
Achim Ciolek: Zum Glück ermöglichte uns die örtliche Arbeitsagentur mit Zustimmung der Zentrale in Nürnberg den Zugang zum Berufsbildungsbereich – trotz fehlender Werkstatt-Anerkennung. Anfangs war dies ein Modellprojekt mit wissenschaftlicher Evaluation.
Die Idee: Die Werkstätten gaben BBB-Plätze aus ihrem Kontingent an uns weiter und überließen uns 85 % ihres Kostensatzes. Quasi als "Subunternehmer" führen wir seitdem betriebsintegrierte Qualifizierungen durch. Nach den zwei BBB-Jahren vermitteln wir in der Regel ca. 50 % der Teilnehmenden in eine Festanstellung. Die Übrigen qualifizieren wir im Anschluss über ein sogenanntes "Integrationspraktikum" weiter, sodass deren Übergangsquote auf den Arbeitsmarkt weiter erhöht wird. Bis zum BTHG hatte das "Integrationspraktikum" den Status einer "Sonstigen Betriebsstätte" nach dem damaligen § 56 SGB IX, mit einer Leistungsvereinbarung analog zum Arbeitsbereich der Werkstatt. Dies war eine etwas improvisierte 'Hamburgensie‘. Sie bildete eine Vorlage für die Schaffung der "Anderen Leistungsanbieter" im BTHG (heute § 60 SGB IX). Auf dieser Grundlage führen wir das Angebot nun seit 2018 durch – mit zurzeit circa 60 Teilnehmenden. Mit der zusätzlichen Qualifizierungszeit bringen wir pro Jahr ca. ein weiteres Drittel in Arbeit. Das Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX) macht die Vermittlung deutlich einfacher. In Hamburg wurde es bereits 2013 eingeführt.
Wie entwickelte sich das Verhältnis zwischen den Werkstätten und der HAA?
Achim Ciolek: Anfangs hatten wir es mit vier Werkstätten in Hamburg zu tun und haben sehr unterschiedliche Umgangsstile kennenzulernen: Ignoranz, Nicht-Ernstnahme und Abwertung, aber auch Wertschätzung und Kooperationsbereitschaft durch den damaligen Geschäftsführer der Elbe-Werkstätten. Das zeigt, wie viel Einfluss die Haltung der Werkstätten auf die Chancen auf Übergang auf den Arbeitsmarkt hat. Zögerlich entwickelten die Werkstätten selbst Angebote, den Übergang zu fördern und auch einzelne Beschäftigte im Übergang in Betrieben des Arbeitsmarktes zu unterstützen – auch hier insbesondere bei den Elbe-Werkstätten.
Eine "Lehrstunde" erteilten uns die Werkstätten 2005, als sie gemeinsam und taggenau die Kooperation im BBB mit uns kündigten. Aufgrund der Nachfrage war das Kontingent bereits von 12 auf 30 Plätze gestiegen. Diesen Versuch der Durchsetzung des Monopolanspruchs hat die Agentur für Arbeit in Abstimmung mit Nürnberg konstruktiv gelöst. Über das Persönliche Budget ermöglichte sie in nur drei Monaten 29 Interessent*innen den Zugang zu unserem Betrieblichen Berufsbildungsbereich. Das hat uns nicht nur gerettet. Es war auch die Grundlage, bald darauf mit den Elbe-Werkstätten, die inzwischen mit den beiden anderen städtischen Werkstattbetrieben fusioniert waren, eine erneute Kooperationsvereinbarung abzuschließen. Sie sieht keine Kontingente mehr vor, sondern orientiert sich an der Nachfrage. Aktuell sind es ca. 30 Teilnehmende. Seit 2023 sind wir auch Mitglied in der Hamburger LAG der Werkstätten.
Welche Auswirkungen hatte der Wettbewerb auf die WfbM?
Marta Redondo, alsterarbeit: Die Werkstätten öffneten sich stärker für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Bei alsterarbeit ermöglichen wir z.B. heute Schulabgängern und Schulabgängerinnen den direkten Wechsel in den externen BBB sogar ohne Eingangsverfahren in der WfbM. Auch flexible Varianten mit internen und externen Anteilen oder verkürzte BBB-Zeiten sind möglich.
Sven Neumann: Die Bereitschaft der FABs, die Beschäftigten "gehen zu lassen", ist gestiegen. 2012 wurde in Hamburg, unter Mitwirkung der Elbe-Werkstätten, das Budget für Arbeit eingeführt. Seitdem setzt die Behörde verstärkt Anreize und Erwartungen, um die Werkstätten in ihrer Weiterentwicklung hin zu mehr betriebsintegrierten Arbeitsplätzen zu unterstützen. Zudem setzen wir uns Quoten für die Auslagerung von Einzel- und Gruppenarbeitsplätzen in Betriebe. Aktuell liegt der Anteil bei den Elbe-Werkstätten bei 37 % ausgelagerten Plätzen. Für 2027 ist das Ziel 40 %. Dadurch werden immer mehr Betriebsflächen frei. Sie werden entmietet oder von Firmen übernommen, mit denen wir kooperieren. Dieser Trend wird sich auch deshalb weiter verstärken, weil der externe Bereich deutlich ertragreicher ist als unsere eigene Produktion.
Marta Redondo: Ähnliches gilt für uns bei alsterarbeit, wenn auch in geringerem Umfang. Unser "integrationsservice arbeit" (isa) kann bei den Erträgen mit anderen Werkstattabteilungen mithalten. Auch unsere Personalkosten entsprechen denen im Arbeitsbereich der Werkstatt. Bei isa arbeiten wir mit einem multiprofessionellen Jobcoach-Team von Mitarbeiter*innen mit pädagogischem Hochschulabschluss oder Zusatzqualifikationen und haben zusätzlich ein Akquise- und Beratungs-Team implementiert. Die Mehrkosten gleichen wir mit einem höheren Schlüssel von 1:15 aus.
Achim Ciolek: Die Hamburger Arbeitsassistenz kann ihre betriebliche Begleitung mit einer anderen Kostenstruktur als die WfbM anbieten. 90% unserer Kosten sind Personalkosten und davon 90% entfallen auf die pädagogischen Mitarbeiter*innen, die unmittelbar in der Begleitung tätig sind. Der Betreuungsschlüssel liegt damit im Durchschnitt bei 1:6 bis 1:8. Dies kalkuliert ein, dass phasenweise eine 1:1 Unterstützung erforderlich ist. Weil die pädagogischen Mitarbeiter*innen überwiegend unterwegs sind, haben sie keine festen Schreibtische und wir kommen mit wenigen Büros aus. Wir haben auch keine Dienstfahrzeuge, sondern nutzen das Deutschlandticket. Bei unserem Antrag als "Anderer Leistungsanbieter" wurde dieser günstige Betreuungsschlüssel zunächst zum Problem: Die Sozialbehörde bestand bei der Leistungsvereinbarung auf einem Schlüssel von 1:12, wie es die Werkstättenverordnung vorschreibt. Der Konflikt führte letztlich dazu, dass der Gesetzgeber für Anderer Leistungsanbieter einen niedrigeren Personalschlüssel ermöglichte. Wohlgemerkt: Aus unserem Schlüssel resultieren keine höheren Kosten als in der WfbM.

Marta Redondo, alsterarbeit
Welche Bedeutung hat die Metropolregion Hamburg für den Inklusionserfolg?
Marta Redondo: Das Hamburg ein Stadtstaat ist, ist für uns ein Vorteil: Kurze Wege zum Leistungsträger, überschaubare Strukturen und eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden.
Sven Neumann: Hinzu kommt die Vorreiterrolle Hamburgs in der Inklusion. Schon 2012 wurde hier das Budget für Arbeit als Modellprojekt eingeführt. Leistungsträger und Leistungserbringer kooperieren eng und vereinbaren Zielgrößen. Werkstätten erhalten eine Aufwandspauschale bei erfolgreicher Vermittlung.
Achim Ciolek: Die guten Vermittlungserfolge in Hamburg werden sicherlich auch durch den gut ausgebauten Nahverkehr begünstigt. Solche Rahmenbedingungen und unsere Anbietervielfalt haben Flächenländer kaum.
Sven Neumann: Das stimmt, sollte aber keine Ausrede sein. Auch den ländlichen Regionen sind manche Werkstätten beim Zugang zum Arbeitsmarkt erfolgreicher als ihre Nachbarwerkstätten. Akquise ist in ländlichen Regionen oft einfacher als in der Stadt. Auch dort gibt es Geschäfte, Handwerksbetriebe oder Kindergärten mit Potenzial für wohnortnahe Beschäftigung.
Welche Rolle spielt das Hamburger Trägerbudget?
Sven Neumann: Das Trägerbudget stoppte den Anstieg der WfbM-Plätze. Zwischen 2004 und 2011 gab es in Hamburg noch einen Zuwachs von 40 %. Beim Trägerbudget einigt sich die Eingliederungshilfe mit den Trägern für jeweils fünf Jahre auf eine feste Platzzahl und ein festgeschriebenes Budget, unabhängig von Über- oder Unterschreitungen. Das schafft für beide Seiten Planungssicherheit. Bei den Werkstätten fördert es die Vermittlungsbemühungen, weil die Übergänge aus dem BBB die Platzzahlen ja nach oben treiben. Wachstum ist nicht mehr lukrativ, im Gegenteil: Finanziell lohnt sich das Unterschreiten der Quote. Für Werkstätten gewinnt daher das Budget für Arbeit an Reiz, zumal wir in Hamburg auch die Begleitung übernehmen dürfen.
Marta Redondo: Aktuell ist außerdem durch den Fach- und Arbeitskräftemangel die Offenheit von Unternehmen gestiegen, was wir bezogen auf Vermittlungen als Chance erleben. Die Belastung der Teams durch unbesetzte Stellen ist für die Unternehmen eine Herausforderung.
Achim Ciolek: Für die Hamburger Arbeitsassistenz war nicht das Trägerbudget der Meilenstein, sondern das Budget für Arbeit, das Hamburg 2013 als Modellprojekt einführte und das 2018 als Bundesgesetz in Kraft trat. Davor gab es degressive Lohnkostenzschüsse der Arbeitsagentur, die spätestens nach drei Jahren endeten, was z.T. eine Vermittlung verhinderte oder auch Jobs scheitern ließ. Heute gleicht das Budget die Minderleistung dauerhaft aus, ein überfälliger Paradigmenwechsel des rehabilitativen Ansatzes. Das Trägerbudget der Werkstätten sollte strukturell die Förderung des Übergangs aus der Werkstatt erleichtern. Unsere Leistungsvereinbarungen basieren übrigens nicht darauf. Ich sehe aber bislang wenig Effekte des Trägerbudgets hinsichtlich der Netzwerkarbeit und der Ermutigung der Beschäftigten für die Nutzung der Angebote von "Anderen Leistungsanbietern".
Wie gut ist die Kooperation zwischen den Anbietern heute?
Sven Neumann: Neben den Werkstätten und der Hamburger Arbeitsassistenz gibt es ja noch weitere Akteure wie die Inklusionsbetriebe, die IFDs und die Anderen Leistungsanbieter. Die Zusammenarbeit zwischen diesen Akteuren hat sich stetig weiterentwickelt. Im Netzwerk Budget für Arbeit tauschen wir uns alle zwei Monate mit dem Fachamt, der Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber und der Beratungsstelle Handicap aus. Wir beteiligen uns gemeinsam an Aktionen wie dem DUOday oder dem Schichtwechsel. Im Einzelfall kooperieren wir bilateral und betreiben gemeinsam Akquise. Die Wünsche der Kunden stehen im Mittelpunkt und die Zusammenarbeit ist eng.
Achim Ciolek: Ich sehe das kritischer. Wir erleben in den Werkstätten weiterhin oft Blockaden und Beharrungskräfte. Angeblich besonders bei den FABs, ich weiß aber nicht, ob das immer so einfach zu verorten ist. Werkstätten priorisieren oftmals ihre eigenen Strukturen. Da bräuchte es noch mehr Offenheit und Ermutigung. Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber finde ich übrigens bislang für noch nicht sehr wirksam. Da ist noch Luft nach oben. Bei uns steht die Person mit ihren Fähigkeiten und Wünschen im Mittelpunkt, nicht ein ausgeschriebener Job, der sich in der Regel an beruflichen Erfahrungen und Qualifikationen richtet, also an Facharbeiter, die wir nicht bedienen können. Wir akquirieren personenbezogen über eine eigene Akquise-Abteilung.
Sven Neumann: Ich kann für uns nur sagen: Wir sind kooperationsbereit. Innerhalb von "Arbeit inklusiv" begegnen wir werkstattintern jedoch gelegentlich Herausforderungen in der Abstimmung mit den Gruppenleitern. Mit der Einheitlichen Ansprechstelle klappt es mittlerweile gut. Wir sehen sie als Türöffner für unsere Teilnehmenden.
Was kann die Reform der Teilhabe am Arbeitsleben von Hamburg lernen?
Sven Neumann: Bundesweit braucht es Vermittlungsdienste nach dem Hamburger Vorbild. Werkstattberechtigte sollten zwischen der Werkstatt und einer eindeutigen Alternative wählen können. Die Anderen Leistungsanbieter sind zwar ein Schritt in diese Richtung, werden aber als zu werkstattähnlich wahrgenommen. Und: Die Vermittlungsdienste brauchen einen direkten Zugang zum Berufsbildungsbereich statt der Weitergabe von BBB-Plätzen oder dem Persönlichen Budget.
Achim Ciolek: Einige Bundesländer haben die "Anderen Leistungsanbieter" von vornherein abgelehnt, weil sie sie als "Werkstatt light" ansehen. Vielleicht auch verständlich, wenn die Befürchtung besteht, dass dadurch eine neue Landschaft von Werkstattaußenplätzen etabliert werden könnte. Zur Verbesserung des Übergangs direkt von der Schule oder aus der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bedarf es betriebsorientierter Angebote, die zielgerichtet auf den Übergang auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet sind. Durch die gesetzliche Normierung "Anderer Leistungsanbieter" ist zumindest eine Grundlage für personen- und betriebsorientierte Angebote geschaffen. Sie ermöglichen eine der Vermittlung vorgelagerte Qualifizierungs- und Orientierungsphase in Betrieben sowohl im Berufsbildungs- als auch im Arbeitsbereich. Will man bundesweit eine neue "Angebots-Landschaft" von anderen Leistungsanbietern aufbauen, bedarf das nicht nur einfacherer Anerkennungsverfahren, sondern es braucht auch Starthilfen, um die Phase des Aufbaus und der Innovation finanziell zu überstehen. Mir ist nicht bekannt, dass schon einmal Leistungsträger, die bessere Inklusions- und Übergangsquoten fordern und davon auch profitieren würden, zu einer solchen zukunftsträchtigen Investition bereit gewesen wären.
Zusammenfassung
Als erste Stadt in Deutschland setzte Hamburg auf einen Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern der Teilhabe am Arbeitsleben. Die Hamburger Arbeitsassistenz vermittelt seit 1992 Menschen mit Lernschwierigkeiten direkt in den Arbeitsmarkt. Daraufhin entwickelten auch die Werkstätten verstärkt betriebsintegrierte Angebote und Qualifizierungen. Viele Werkstattberechtigte wurden seitdem in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse vermittelt und ein hoher Anteil der Werkstattbeschäftigten arbeitet auf Außenarbeitsplätzen. Auch wenn diese Vielfalt durch die Großstadtbedingungen begünstigt wurde, würden die Hamburger Erfolgsfaktoren nach Meinung der Gesprächsteilnehmer auch in anderen Regionen Wirkung zeigen.
Die Empfehlungen
- Bundesweiter Aufbau von Vermittlungsdiensten in eine Festanstellung nach Vorbild der HAA mit bedarfsgerechter Finanzierung.
- Zugang der Dienste zum Eingangsverfahren und zum Berufsbildungsbereich (BBB).
- Unkomplizierte und flexible Verlängerung der Orientierungs-, Erprobungs- und Qualifizierungszeit über den BBB hinaus aus Mitteln der Eingliederungshilfe.
- Gute und vertrauensvolle Kooperation zwischen den Anbietern.
Daten (Stand 2024)
- Werkstätten in Hamburg:
- Elbe-Werkstätten: 2.800 Plätze (minus 300 in 5 Jahren), 900 betriebliche Arbeitsplätze (400 Einzel-, 500 Gruppenplätze), 100 Begleitungen Budget für Arbeit
- alsterarbeit: 900 Plätze, 200 betriebliche Arbeitsplätze, 30 Budget für Arbeit
- Hamburger Arbeitsassistenz (HAA):
- Seit 1992: Ca. 1000 Vermittlungen
- 30 BBB- sowie 60 Plätze als Anderer Leistungsanbieter (Eingliederungshilfe), 135 aktive Begleitungen im Budget für Arbeit
- Weitere Maßnahmen: U.a. Unterstützte Beschäftigung, Budget für Arbeit, Integrationsfachdienst, Ausbildungsvorbereitung im Übergang Schule -Beruf; Projekte über ESF und Aktion Mensch)
- Ca. 160 Personalmitarbeiter*innen (davon ca. 70 in der Berufsvorbereitung an Berufs- und allgemeinbildenden Schulen)
- Budget für Arbeit: seit 2013: ca. 500 Vermittlungen (2024: 43, davon WfbM: 20, HAA: 23).
- Andere Leistungsanbieter: Neben der HAA noch 4 weitere Träger mit ca. 100 Plätzen