Nachrichten aus der BAG Integrationsfirmen (bag if)
In unserer Berichterstattung über die Möglichkeiten beruflicher Teilhabe wollen wir künftig noch gezielter auf die Entwicklungen in Inklusionsunternehmen, in der Unterstützten Beschäftigung und in Berufsbildungs- und Berufsförderungswerken schauen. Dazu werden wir in regelmäßigen Abständen bei den jeweiligen Bundesarbeitsgemeinschaften nachfragen, was sie derzeit am meisten beschäftigt. Den Anfang macht in dieser Ausgabe die Bundesarbeitsgemeinschaft Inklusionsfirmen (bag if). Wir sprachen mit Geschäftsführerin Claudia Rustige.
Die Situation der Integrationsunternehmen nach Corona
Die bag if-Geschäftsführerin berichtet, dass die Anzahl der Inklusionsbetriebe in den letzten zwei Jahren leicht gestiegen, die Anzahl der Arbeitsplätze leicht gesunken sei, wie jüngste Erhebungen zeigten. Die Unternehmen seien besser durch die Coronakrise gekommen als anfangs befürchtet, zum einen durch die staatlichen Hilfen, zum andern durch eigene Rücklagen, die jetzt allerdings fehlen, um den aktuellen Problemen zu begegnen. Die Auswirkungen der Pandemie seien uneinheitlich gewesen. Durch den Lockdown hätte es zum Beispiel besonders den Gastronomiebereich getroffen. Nach Corona ständen die Unternehmen nun vor neuen Herausforderungen, so dass der Krisenmodus sich in vielen Fällen fortsetze. Sie beträfen die Erhöhung des Mindestlohns ebenso wie die Auswirkungen des Ukrainekriegs mit der Verteuerung der Energie, der Rohstoffe und der Lebensmittel. "Die größten Schwierigkeiten liegen möglicherweise noch vor uns", sagt Claudia Rustige. Die wirtschaftliche Lage beträfen aber alle Unternehmen. Inklusionsbetriebe seien Teil der Wirtschaft und könnten sich von der Gesamtsituation nicht abkoppeln.
Position der bag if zu den Vorschlägen zur Reform der beruflichen Teilhabe
Ein Thema, mit dem sich die bag if zurzeit beschäftigt, ist die anstehende Reform der Eingliederungshilfe. Zu den Vorschlägen der Entgeltkommission bzw. des BMAS hat sich der Verband in einer Stellungnahme geäußert.
Ein Vorschlag, der die bag if direkt betrifft, lautet, umsatzstarke Produktionsabteilungen der Werkstätten in Inklusionsbetriebe umzuwandeln. Die bag sieht diese Idee mit Skepsis, Eine nur formale Umwidmung bestehender WfbM-Bereiche reicht ihrer Ansicht nach nicht aus. Bliebe es beim Werkstattschlüssel von 1:12, entspräche dies nicht dem Standard für Inklusionsunternehmen. Die Kriterien des § 215 SGB IX müssten erfüllt sein: Es müsse sich um rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes handeln, zwischen 50 und 70 % Menschen ohne Behinderung müssten dort also tätig sein. Die Arbeit müsse auf Augenhöhe stattfinden. Es müsse Arbeitsverträge geben und der Mindestlohn müsse gezahlt werden. Claudia Rustige ist skeptisch, ob sich die produktiven Bereiche einer WfbM unter den deutlich härteren Rahmenbedingungen von Inklusionsunternehmen noch als wirtschaftlich tragfähig erweisen. Stattdessen schlägt sie die Umwandlung der ausgelagerten Arbeitsplätze oder ausgelagerten Arbeitsgruppen in Budgetarbeitsplätze vor, vorstellbar auch mit der WfbM als Anstellungsträger. Damit könnte eine erhebliche Anzahl sozialversicherter, tariflicher und inklusiver Arbeitsplätze entstehen.
Die Zahlung von Mindestlohn in Werkstätten lehnt die bag if ab. Werkstätten für behinderte Menschen hätten einen eindeutigen Rehabilitationsauftrag und seien nach ihrer Definition nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarkts. Werkstattbeschäftigte, die eine auskömmliche Entlohnung anstrebten, müssten aus dem Rehabilitationsstaus in den Arbeitnehmerstatus wechseln. Im Sinne des Wunsch- und Wahlrechts sollten sie aber diese Möglichkeit auch eingeräumt bekommen, d.h. alle Werkstätten müssten über ein professionelles Übergangsmanagement verfügen, eine Forderung, die auch die Entgeltkommission erhebt.
Bezüglich der Neuausrichtung des Berufsbildungsbereichs lehnt die bag if die Idee einer Ausschreibung durch die Agentur für Arbeit ab. Sie geht aber konform mit der Forderung, berufliche Bildung deutlich stärker in Betriebe zu verlagern. Die Kenntnis der Person, ihrer Einsatzmöglichkeiten, Fähigkeiten und Stärken verbessere die Integrationschancen, insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels. In diesem Kontext äußert Claudia Rustige ihre Verwunderung darüber, dass eine grundlegende Erkenntnis in die aktuelle Reformdiskussion nicht Eingang gefunden hat: "Wir wissen seit Jahren, dass es bei der Erschließung und Anbahnung von Arbeitsverhältnissen auf die individuelle Unterstützung durch Jobcoachs ankommt. Dienste wie ACCESS, ISA oder die Hamburger Arbeitsassistenz sind damit erfolgreich. Es gibt zwar die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB), die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) und die Integrationsfachdienste (IFD). Für das Kernstück einer erfolgreichen Integration, den Fachdienst für Anbahnung und Begleitung von Arbeitsverhältnissen, gibt es aber keinen gesetzlichen Anspruch. Wenn wir diese Möglichkeit bundesweit bereitstellen bzw. die Werkstätten mit ihrer Bereitstellung beauftragen und diese Dienste mit den bestehenden Diensten vernetzen, wäre sehr viel mehr an Vermittlung möglich."
Die bag if positioniert sich schließlich auch zur häufig vorgeschlagenen Erweiterung des § 223 SGB IX auf Inklusionsunternehmen (der Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe). Claudia Rustige: "Für uns ist dies nicht der richtige Weg, weil wir es nicht für richtig halten, dass sich Betriebe auf diese Weise aus ihrer Beschäftigungsverpflichtung freikaufen können, weder durch eine Auftragsvergabe an WfbM noch an Inklusionsbetriebe".
Die Nationale Strategie für soziale Innovation und gemeinwohlorientierte Unternehmen
Die Nationale Strategie wurde im September 2023 von der Bundesregierung verabschiedet. Federführend sind das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Auch die bag if war in den vorgeschalteten Konsultationsprozess eingebunden. Gemeinwohlorientierte Unternehmen sollen gestärkt, ihre finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Der Begriff bezeichnet Sozialunternehmen, die das soziale oder gesellschaftliche, gemeinwohlorientierte Ziel zum Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätigkeit machen. Auf der Grundlage der Nachhaltigkeitsziele der UN können das ökologische und soziale Ziele sein, aber auch das Ziel der Inklusion. Unter anderem sollen die Unternehmen einen verbesserten Zugang zur Wirtschaftsförderung erhalten, der gemeinnützigen Betrieben bisher erschwert war. Dazu sollen sie mehr Beratungsleistung und verstärkte Hilfen bei der Neugründung bekommen. Claudia Rustige: "Für Inklusionsunternehmen bedeutet dies, dass sie aus der Verortung im Sozialbereich stärker in den Fokus des Wirtschaftsressorts rücken und als gleichberechtigte Marktteilnehmer anerkannt werden."
Die Wirkungsstudie der bag if
In der Nationalen Strategie ist auch die Wirkungsmessung ein wichtiges Thema. Das Thema Wirkungsmessung und der Nachweis positiver Wirkungseffekte durch Inklusionsbetriebe hat die bag if in den letzten Jahren intensiv beschäftigt. Mit ihrer Studie "MehrWirkung" hat sie zum ersten Mal belastbare Wirkungsnachweise des gesellschaftlichen Mehrwerts von Inklusionsunternehmen erbracht. Die Ergebnisse konnten in die politische Kommunikation eingebracht werden. Für die Geschäftsführerin der bag if sind aber nicht nur diese Ergebnisse von Bedeutung, auch das Erhebungsinstrument könnte künftig zu einem Standard für die Wirkungsmessung werden, denn: "Die Feststellung von Wirkung und Wirksamkeit wird zukünftig eine immer größere Rolle spielen und dazu benötigt man geeignete Messinstrumente. Mit unserem Wirkungskompass bieten wir ein solches Instrument."
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