Nachrichten aus der LAG WfbM Baden-Württemberg
Dr. Ute Schottmüller-Einwag
In unserer Berichterstattung über die Landschaft der beruflichen Teilhabe berichten wir regelmäßig über die aktuellen Themen und Aktivitäten von Verbänden und Arbeitsgemeinschaften. Mit der neuen Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft WfbM Baden-Württemberg, Dr. Ute Schottmüller-Einwag, sprachen wir für diese Newsletter-Ausgabe unter anderem über das aktuelle Strategiepapier der LAG und über die Umwandlung von Werkstattabteilungen in Inklusionsbetriebe durch den Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS).
Wechsel in der Geschäftsführung der LAG
Zum Jahreswechsel verabschiedete sich Christa Grünenwald, die langjährige Geschäftsführerin der LAG WfbM, in den Ruhestand. Sie war bundesweit bekannt und geschätzt, insbesondere wegen ihres Engagements im Bereich Bildung und für Menschen mit hohem Hilfebedarf. Die offizielle "Stabübergabe" an ihre Nachfolgerin erfolgte im Rahmen einer Verabschiedung im Stuttgarter Hospitalhof.
Dr. Ute Schottmüller-Einwag hatte zuvor drei Jahre Zeit, sich mit den Besonderheiten der Werkstattlandschaft vertraut zu machen und bereits eigene Impulse zu setzen. Die Volljuristin und Diplomkauffrau hat für die LAG seit 2021 vor allem rechtliche Themen aufgearbeitet. Sie widmete sich u.a. dem Rechtsanspruch von Werkstattbeschäftigten auf Teilzeitarbeit und beschäftigte sich dabei auch mit der Vergütung und dem Nachteilsausgleich zur Rente bei Teilzeittätigkeit. Ihre intensive Auseinandersetzung mit dem SGB IX sieht sie als gutes Fundament für ihre jetzige Aufgabe. "Viele Werkstattregelungen sind im Bundesrecht verankert und wir tauschen uns regelmäßig mit den benachbarten Bundesländern aus. Fragen der Refinanzierung sind dagegen Ländersache."
In ihrer Promotion hat sich die neue Geschäftsführerin mit Themen der Steuerung von Organisationen auseinandergesetzt, speziell mit der Wirksamkeit von Instrumenten aus der Institutionenökonomik, etwa von Anreizmodellen. Ihr Augenmerk dürfte bei der anstehenden strategischen Neuausrichtung der beruflichen Teilhabe somit auch möglichen Fehlanreizen gelten, die nicht mehr zu den veränderten Zielsetzungen passen. Für die WfbM wäre dies eine ungewöhnliche, aber beachtenswerte Perspektive.
Neues Leitbild der LAG Baden-Württemberg: Mehr Inklusion leben, auch in der WfbM
Als Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen der Werkstattarbeit, insbesondere durch die UN-Behindertenrechtskonvention, hat die LAG WfbM Baden-Württemberg an einer strategischen Neuausrichtung gearbeitet. Der geschäftsführende Vorstand erarbeitete ein neues Leitbild und stimmte es mit dem Vorstand und den Mitgliedern ab. Es wurde 2023 verabschiedet und soll für die nächsten fünf Jahre gelten. Der Tenor: Mehr Inklusion leben, auch in den WfbM. Werkstätten wollen aktiv an Lösungen arbeiten und Teil der Weiterentwicklung sein. Ute Schottmüller-Einwag: "Allerdings muss die LAG dabei auch auf Wertungs- und Anreizwidersprüche hinweisen und die noch mangelhafte Aufnahmebereitschaft des Arbeitsmarktes im Auge haben. Es braucht Jobcoaching, aber auch eine Veränderung der Rahmenbedingungen und eine gute Kommunikation mit Arbeitgebern."
In ihrem Leitbild definiert die LAG das Selbstverständnis der Werkstätten unter anderem in dem Slogan: "Wir sind Stimme und Motor der Inklusion in Arbeit und Bildung für Menschen mit Behinderung." Sie versteht sich als Impulsgeber für Innovationen, Forschung und Entwicklung im Bereich Berufliche Teilhabe, bekennt sich zur Öffnung der Werkstatt und tritt ein für passgenaue, personenzentrierte Lösungen für Arbeit und Bildung. Von besonderer Bedeutung sind für sie Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf. Politisch fordert sie u.a. die Anpassung des Systems der Eingliederungshilfe an den gesellschaftlichen Wandel und an die UN-BRK und seine Vereinfachung im Sinne der Barrierefreiheit und Transparenz, Handlungsspielräume für Projekte sowie eine Weiterentwicklung des Entgeltsystems in Richtung eines auskömmlichen Einkommens. Das komplette Leitbild der LAG WfbM BW finden Sie hier.
Überlegungen zur Umbenennung der LAG
Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung stellt die LAG WfbM Baden-Württemberg auch Überlegungen an, ihren Namen zu ändern, ein Schritt, den die Landesarbeitsgemeinschaften in einigen Bundesländern bereits vollzogen haben. Ute Schottmüller-Einwag: "Die Aufgabe besteht darin, die Neuausrichtung deutlich zu machen, ohne dabei die Marke WfbM zu beschädigen." Der Diskussionsprozess ist noch nicht abgeschlossen.
Das Konversionsprojekt des KVJS
Der Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS) vertritt in Baden-Württemberg die Interessen der Eingliederungshilfeträger. Nach der Kommunalisierung sind dies die Städte und Kreise. Er plant, 300 Plätze aus betriebsintegrierten Arbeitsgruppen der Werkstätten in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse umzuwandeln. Rechtlich sollen die Arbeitsplätze in Inklusionsunternehmen oder in Inklusionsabteilungen der WfbM angesiedelt sein. Ein Drittel der LAG-Mitglieder betreibt bereits Inklusionsbetriebe und könnte die bisherigen Außenarbeitsgruppen in diese überführen. Auch Inklusionsabteilungen unter dem Dach der Werkstätten sind möglich, wenn sie wirtschaftlich vom Werkstattbetrieb abgrenzbar sind. Ziel ist der Abschluss eines Arbeitsvertrages und die Zahlung des Mindestlohns oder jeweiligen Tariflohns. Im Projektzeitraum, befristet auf fünf Jahre, sollen spezielle Absicherungsmechanismen gelten und eine individuell bemessene Unterstützungspauschale gezahlt werden.
Ute Schottmüller-Einwag: "Die LAG ist bei diesem Projekt nicht der Motor, sondern ein Partner des KVJS. Wir hätten uns das Vorgehen stärker personenzentriert gewünscht. Unsere Aufgabe ist es, die Interessen der Werkstätten und der Beschäftigten zu wahren." Dazu hat die LAG einen Fragenkatalog erarbeitet, die ökonomischen Rahmenbedingungen skizziert und 15 Werkstätten identifiziert, die prinzipiell bereit sind, das Modell zu erproben. Diese Werkstätten befinden sich zur Zeit in bilateralen Gesprächen mit dem KVJS und evaluieren mögliche Geschäftsmodelle, um dann zu entscheiden, ob sie sich beteiligen. Das Projekt soll im Herbst 2024 starten. Die LAG-Geschäftsführerin: "Die entscheidende Frage lautet: Was kommt nach der Projektzeit, wenn die Unterstützung ausläuft und was bedeutet das dann für die Beschäftigten?" Generell steht die LAG den Gedanken der Konversion positiv gegenüber: "Menschen mit Behinderung, die Vollzeit arbeiten, wären in dem Modell nicht mehr auf Grundsicherung angewiesen. Für sie wäre die Konversion auf jeden Fall ein Vorteil. Regelmäßig zum Sozialamt zu müssen, empfinden viele Beschäftigte als Stigma. Das ist entwürdigend für jemanden, der nach seinen Möglichkeiten eine volle Arbeitsleistung erbringt."
In diesem Zusammenhang kritisiert Ute Schottmüller-Einwag die Reaktion des BMAS auf die Reformvorschläge der Studie zu einem transparenten und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten und deren Perspektiven auf den allgemeinen Arbeitsmarkt: "Das ist ein Trauerspiel. Die Studie empfiehlt die Einführung des Mindestlohns in Werkstätten, hält sie sogar für rechtlich geboten. Nachdem die WfbM-Beschäftigten vier Jahre lang hingehalten wurden, kommt jetzt nur noch eine AFG-Erhöhung dabei heraus. Die eigentliche Reform ist wieder in weite Ferne gerückt. Das Reformvorhaben ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet."
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