Nachrichten aus der LAG WfbM Bayern
Von Schwierigkeiten bei der Rahmenleistungsvereinbarung bis zum bayrischen BÜWA-Programm
Hannes Müller, Geschäftsführer der LAG WfbM Bayern
Die bayerischen WfbM bieten etwa 37.000 Werkstattplätze. Die LAG WfbM hat 97 Mitglieder, die aber, wie Geschäftsführer Hannes Müller erläutert, als überregionale Träger zum Teil ein Dach für mehrere Werkstätten bilden. Damit liegt die tatsächliche Zahl der anerkannten Werkstätten bei ca. 150. Eine Besonderheit ist im Freistaat die Struktur der Leistungsträger. Das sind hier die sieben bayerischen Bezirke. Sie schließen mit den Werkstätten eigene Leistungsvereinbarungen ab, die sich von Bezirk zu Bezirk bis zu den neuen bayerischen Leistungsvereinbarungen z.T. stark unterschieden haben.
Umsetzung der Rahmenleistungsvereinbarung
Im Juni 2023 wurde in Bayern eine neue Rahmenleistungsvereinbarung mit den Werkstätten geschlossen. Nach der BTHG-Vorgabe zur Personenzentrierung sieht sie eine Basisleistung vor, die bei individuell höherem Mehrbedarf aufgestockt werden soll. Dieser Mehrbedarf soll an die Person gebunden sein und damit deren Wahlrecht stärken. Allerdings haben Werkstätten für psychisch- und körperbehinderte Menschen in einigen Bezirken bislang verbesserte Stellenschlüssel für Pflege, sowie den Gruppen- und Sozialdienst ausgehandelt. Hannes Müller: "Die neue Regelung läuft für diese Werkstätten auf ein Abschmelzen des Personals und damit zwangsläufig auf eine Absenkung der Qualität der Leistung hinaus."
Das neue System sieht zur Festlegung des Mehrbedarfs eine Matrix mit neun Kategorien vor. In der Rahmenleistungsvereinbarung ist zur Erprobung eine Modellphase mit ausgewählten Werkstätten vereinbart. Sie ist bis Ende 2025 terminiert, die Auswirkungen sollen evaluiert werden. Für diese Evaluation läuft derzeit ein Ausschreibungsverfahren. "Vom Ergebnis hängt ab", so Hannes Müller, "ob das System eins zu eins auf alle Werkstätten ausgerollt, in Teilen angepasst oder komplett neu verhandelt wird."
Unstimmigkeiten zwischen den Leistungsträgern und Leistungserbringern gibt es beim Bedarfsermittlungsverfahren. Die bisher verwendeten unterschiedlichen Bedarfsermittlungsinstrumente bildeten die Kategorien der neuen Matrix nicht ab und wurden vom Leistungsträger als ungeeignet angesehen. Zudem soll sich die Leistungsbemessung an einem Minutennachweis orientieren, der entsprechend von der WfbM dokumentiert werden muss, ein zu großer Aufwand, wie viele Werkstätten finden. Das Ergebnis: Nicht einmal ein Fünftel der rund 40 Modellwerkstätten hat bisher eine Vereinbarung für die Modellphase abgeschlossen.
Zwischen den Bezirken gibt es aber Unterschiede. Hannes Müller: "Im Bezirk Schwaben hat man sich auf ein Verfahren verständigt und Vereinbarungen zur Erprobung geschlossen. In manchen Bezirken gibt es noch gar keine Vereinbarung. Wie die Evaluation bei denen, die noch gar nicht oder nur kurz in den Realbetrieb gegangen sind, etwas auswerten soll, bleibt unklar."
Jetzt haben die bayerischen Bezirke den Ministerpräsidenten aufgefordert, sich für ein bundesweites Bedarfsermittlungsinstrument einzusetzen. Und sie haben bei der Regierung eine Problemanzeige bezüglich der Kosten der Eingliederungshilfe gestellt. Hannes Müllers Resümee: "Das Ganze ist im Moment ein ergebnisoffener Prozess." Die Schwierigkeit mit der Rahmenleistungsvereinbarung sei aber kein rein bayerisches Thema. "Ähnlich schwierige Verhandlungen gibt es beispielsweise auch in Hessen oder in Schleswig-Holstein."
Andere Leistungsanbieter
In der Mitgliederversammlung Anfang letzten Jahres haben sich 98 Prozent der Mitglieder für eine Öffnung der LAG WfbM Bayern für "Andere Leistungsanbieter" ausgesprochen. Auch diesen Leistungstyp vertritt die Landesarbeitsgemeinschaft nun bei den Verhandlungen zu einer Rahmenleistungsvereinbarung, auch wenn nicht alle Anderen Leistungsanbieter bisher der LAG beigetreten sind. Etwa 15 Anbieter verfügen derzeit bayernweit über rund 250 Plätze. Ein Drittel von ihnen hat ausschließlich das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich im Angebot. Hannes Müller: "Von der Größenordnung her ist das weiterhin eine Nische, aber eine, die sich langsam entwickelt. Die Verhandlungen stehen noch am Anfang. Unser Ziel ist es, auch hier die Prozesse klarer zu gestalten, Zugangsmöglichkeiten zu vereinfachen und mehr Wahlfreiheit für die Menschen mit Behinderung zu schaffen. Wir unterstützen die Träger dabei, ihre Organisation zu entwickeln und sich zu positionieren. Wir betrachten das Angebot nicht als Konkurrenz zu den Werkstätten, obwohl es auch Überschneidungen gibt, sondern als eine Ergänzung, die den Leistungsberechtigten zugutekommt."
BÜWA und das Budget für Arbeit
Mit dem "Begleiteter Übergang Werkstatt - allgemeiner Arbeitsmarkt" (BÜWA) wurde in Bayern ein Instrument entwickelt, das bundesweit Aufmerksamkeit erregt. Das Programm finanziert bis zu 27 Monate Vermittlungsbemühungen durch Werkstätten bzw. Integrationsfachdienste mit einem Stellenschlüssel von 1:5 und zusätzlichen Sachmitteln, abgesichert durch ein Rückkehrrecht in die WfbM. Etwa ein Drittel der BÜWA-Teilnehmer erhält einen festen Arbeitsvertrag. Hannes Müller benennt die Größenordnung: "2023 haben bayernweit 85 Personen den Übergang aus der Werkstatt in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse geschafft, gut ein Drittel davon mit Unterstützung von BÜWA. Durchschnittlich sind über drei Jahre nach Vermittlung noch über 80 Prozent aller Vermittelten in Arbeit." Das Programm hat aber eine Bedingung: BÜWA darf nicht ins Budget für Arbeit vermitteln, es muss sich um ein voll sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis handeln. "Dem Ministerium und den Bezirken geht es um ‘echte Vermittlungen’, das Budget für Arbeit soll diese Vermittlungen nicht ersetzen."
Die Konsequenz dieser Politik: Das Budget für Arbeit steckt in Bayern noch in den Kinderschuhen. Hannes Müller: "Für dieses Instrument fehlt ein Anbahnungsprogramm mit Personal, dass die Tätigkeiten akquiriert, erschließt und die Teilnehmer begleitet." Die LAG sieht einen Bedarf für beide Programme und setzt sich dafür ein, das BÜWA-Programm für das Budget für Arbeit zu öffnen oder es durch eine vergleichbare Regelung zu ergänzen. Die Argumentation: "BÜWA unterstützt Leistungsstarke, das Budget für Arbeit hingegen Personen mit höherem Unterstützungsbedarf. Beide Gruppen sollen die Chance haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen."
Für das Budget für Arbeit gibt es laut Müller noch einen weiteren Hemmschuh: Die Bezirke präferierten eine Begleitung der Teilnehmer durch die IFDs und nicht durch die Werkstätten. Hannes Müller: "Wir bemühen wir uns als LAG um eine einvernehmliche Lösung, wie das beim BÜWA-Programm bereits gelungen ist. Dort einigen sich die Beteiligten im Einzelfall auf eine Unterstützung durch die WfbM, durch den IFD oder auf eine gemeinsame Lösung, je nachdem, was den Teilnehmern am ehesten gerecht wird oder was sie sich selber wünschen. Das funktioniert mittlerweile gut."
Investitionsförderung und Streichung der Anrechenbarkeit auf die Ausgleichsabgabe
Bayern hat bis zum 31. Dezember 2023 als letztes Bundesland noch Investitionen in WfbM-Gebäude aus der Ausgleichsabgabe gefördert. Durch das "Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts" war dies nach diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Die CSU hat erklärt, dass sie im Fall einer Regierungsübernahme diese Beschränkung wieder rückgängig machen wolle.
Das "Zweite Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts", für dieses Jahr geplant, kam mit der Auflösung der Ampelkoalition nicht mehr zustande. Damit ist auch die Streichung der Anrechenbarkeit von Werkstattleistungen auf die Ausgleichsabgabe erst einmal hinfällig, die die LAG ohnehin mit Skepsis betrachtet. Hannes Müller: "Auch wenn wir nachvollziehen können, dass die Mittel der Ausgleichsabgabe vor allem der Integration in den Arbeitsmarkt zugutekommen sollen, gilt es weiterhin, die Wettbewerbsnachteile der Werkstätten auszugleichen. Wir wollen und sollen ja keine Bastelstuben sein, sondern den Beschäftigten die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen. Und für Bayern betrifft die Anrechenbarkeit immerhin ca. 15 Millionen des Auftragsvolumens."
Berichterstattung SZ – "Warum das Geschäft mit Behindertenwerkstätten umstritten ist"
Für große Aufmerksamkeit und teilweise Unmut sorgte in der Mitgliedschaft der LAG WfbM Bayern die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung. Insbesondere die wiederholte Verwendung des Begriffs Ausbeutung durch die Werkstätten erzeugte Unverständnis. Die LAG WfbM Bayern hat sich, ebenso wie die LAG Werkstatträte Bayern, an die Süddeutsche Zeitung gewandt und in ihrer Stellungnahme eine differenziertere Betrachtungsweise der wirtschaftlichen Tätigkeit der Werkstätten eingefordert. Beide Stellungnahmen finden Sie hier.
Ausblick
Die LAG WfbM Bayern sieht nach Auskunft ihres Geschäftsführers die Zukunft der beruflichen Teilhabe darin, dass den Leistungsberechtigten unterschiedliche Angebote zur Auswahl stehen. Neben den Werkstätten und Förderstätten sowie den Anderen Leistungsanbietern gehören dazu auch die Inklusionsbetriebe. Die Anbieter müssen gut miteinander kooperieren, um den Nutzern Wahlmöglichkeiten zu bieten.
Der Übergang in den Arbeitsmarkt ist das Zukunftsthema, an dessen Bewältigung die Werkstätten künftig noch stärker gemessen werden. Werkstätten mit ihren maßgeschneiderten und dauerhaften Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung werden nach Überzeugung der LAG weiterhin eine wichtige Rolle im Leistungsangebot spielen.
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