Neues aus Volksheim:
Werkstatt 2020
„Holen Sie bitte den nächsten Bewerber herein?“ Klaus Fromheim, Geschäftsführer der Genossenschaft Selbstbestimmt Arbeiten (GSA) lehnt sich erschöpft in seinem Rollstuhl zurück. Fünf Vorstellungsgespräche hat er mit seinem Auswahlteam heute Vormittag schon hinter sich.
Auf die Stellenausschreibung für einen Projektleiter Berufliche Bildung sind 150 Bewerbungen eingegangen, darunter 140 von nichtbehinderten Bewerbern. Aber wahrscheinlich wird die Stelle wieder an einen Spezialisten mit einer Behinderung vergeben.
Das ist nämlich die Philosophie der GSA, die sich vor drei Jahren aus den Werkstattbetrieben für angepasste Arbeit abgespalten hat. Beschäftigte mit Behinderung haben mit ihrem Persönlichen Budget einen neuen Betrieb aufgebaut. Im Genossenschaftsvertrag haben sie bei der Gründung die Vorgabe festgeschrieben, dass Leitungspositionen und möglichst auch alle anderen Stellen von Menschen mit Behinderungen besetzt sein sollen.
Die Mitarbeiter sind allesamt Genossen, also Anteilseigner ihrer eigenen Firma. Zwar fließen nach wie vor staatliche Subventionen, um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen, aber die alte Trennung in „behinderte Mitarbeiter“ und „angestelltes Personal“ ist aufgehoben. Das Selbstbestimmungsprinzip hat dazu geführt, dass im gesamten Betrieb nur acht Menschen arbeiten, die nicht offiziell als „behindert“ anerkannt sind. Sie arbeiten als Fahrer, in der Reinigung oder als Haustechniker. Der Betrieb ist straff organisiert, kommt mit wenig „Funktionskräften“ aus und zahlt Durchschnittslöhne von 1.200 Euro pro Mitarbeiter.
Die Tür geht auf und der nächste Bewerber betritt den Raum. „Setzen Sie sich, Herr Hirsch*. Schön, dass Sie da sind. Sagen Sie, kennen wir uns nicht? Ich meine, wir hätten uns schon einmal in Frankfurt gesehen.“
* Stephan Hirsch war bis Ende 2015 Geschäftsführer der BAG WfbM.
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