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Putzmuntere Teams

GIA Taunus erledigt alle Arbeiten rund ums Haus

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 21. Januar 2025 |  Petra Mies | Textbeitrag

  Integrationsfirmen und Zuverdienst, Gute Praxis - die Reportage

Wer in der Gebäudereinigung der GIA Taunus arbeitet, der sollte mobil und flexibel sein. Marcel Böck, der an diesem Mittag gerade intensiv Waschbecken und Boden eines Werkraums der Albrecht-Strohschein-Schule in Oberursel putzt, ist es. Als alleinerziehender Vater muss der 43-Jährige schon lange mit Zeiten und Aufgaben jonglieren, da fällt es ihm auch beruflich leicht, kurzfristig bei einem Objekt als Springer eingesetzt zu werden oder eine Urlaubsvertretung zu machen. Böck, von Geburt an gehörlos, liebt die Abwechslung. "Ich bin um acht Uhr in unserer Zentrale gewesen und war dann mit einem Kollegen zwei Stunden zur Unterhaltsreinigung in einem Bürohaus in Frankfurt", gebärdet er. Gökhan Sert, einer der Bereichsleiter Reinigungsservice, übersetzt. Nachdem Böck aus dem nahen Frankfurt zurück in die GIA-Zentrale gefahren war, um nach einer Kaffeepause eine große Lieferung ins Lager zu räumen, ging es weiter in die Schule. Er reckt den Daumen im blauen Handschuh hoch und sagt dann: "Meine Arbeit gefällt mir sehr."

Flexibler Arbeitsplan

Wer wann und wo zum Einsatz kommt, das bestimmt der Plan. Auf einer großen Tafel im Sitz des gemeinnützigen Unternehmens kommt niemand vorbei. Auf ihr sind sämtliche aktuellen Auftragsorte ebenso eingetragen wie die zuständigen Abteilungen und Personen, die diese reinigen, renovieren, reparieren oder andere Dienstleistungen rund ums Haus erledigen. Jemand fällt wegen Krankheit aus? Alles kann sich schnell ändern. "An den Arbeitsplänen orientieren sich alle", sagt Chef Thomas Fiehler.

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Thomas Fiehler, Geschäftsführer GIA Taunus
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Thomas Fiehler

Gesellschafter VzF gründete GIA vor 24 Jahren

Fiehler ist seit drei Jahren der Geschäftsführer der Inklusionsfirma, die eine hundertprozentige Tochter des Vereins zur Förderung und Integration von Menschen mit Behinderung und Benachteiligung (VzF) Taunus ist. Der Gesellschafter gründete die GIA Ende des Jahres 2001. "Der VzF betreibt seit mehr als 40 Jahren integrative Einrichtungen und Projekte im ganzen Taunus, vor allem viele inklusive Kindertagesstätten", erläutert er. Der damalige Geschäftsführer des Vereins habe vor mehr als zwei Jahrzehnten die Idee gehabt, "junge Menschen mit Behinderung nicht nur in Werkstätten zu beschäftigen, sondern ihnen auch Lohn und Brot auf dem ersten Arbeitsmarkt zu geben".

Mit den Kitas fing alles an

Mit der Gebäude- und Grünpflege der heute 15 VzF-Kitas habe alles angefangen, sie gehöre nach wie vor zum GIA-Kerngeschäft. "Wir haben über die Jahre auch viele andere Felder vom klassischen Garten- und Landschaftsbau bis hin zu einem kleinen Edeka-Laden bedient", sagt der 63-Jährige. "Wir sind immer mehr gewachsen, bekommen auch viele Privataufträge, arbeiten aber ebenso für Unternehmen in der ganzen Region oder zum Beispiel für die Oberurseler Wohnungsgenossenschaft eG sowie den Bau & Service Oberursel (BSO)."

Inzwischen sind 62 feste Kräfte und fünf Aushilfen in den 14 GIA-Fahrzeugen vom Pkw bis zum Sprinter unterwegs. Ob der Garten gepflegt, Möbel montiert, Sperrmüll entsorgt, ein Boden verlegt oder ein Wasserschaden repariert werden muss: "Wir sind für unsere gute Arbeit weithin im Taunus bekannt", befindet Fiehler. Aber Gebäudereinigung und -management von Entrümpelung bis hin zum Hausservice seien die Kernkompetenzen im großen GIA-Portfolio geblieben. "Wir haben sogar einen Renovierungsservice, den ein Maler- und Lackierermeister führt. Und dass wir so viele unterschiedliche Dienstleistungen rund ums Haus unter unserem Dach und als ein Betrieb anbieten können, steigert die Zufriedenheit der Kundschaft natürlich zusätzlich."

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Ali Güngör, Ankica Maglić und Thomas Fiehler
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Hälfte der Belegschaft hat ein Handicap

Dass 48 Prozent der Mitarbeitenden ein Handicap hätten, nennt Fiehler "eine Superquote": "Wir beschäftigen Menschen mit Behinderung, die leistungsfähig sind, die aber nicht ohne Unterstützung in einem klassischen Beruf auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sein könnten." Hauptsächlich seien das Gehörlose und Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Denn, das sei bei der Art der Tätigkeiten auch vonnöten: "Körperlich fit sind hier alle."

Verdienst über dem Mindestlohn

Ob Teilzeit oder Vollzeit: Der Geschäftsführer stellt heraus, dass "niemand bei der GIA nur Mindestlohn verdient, da liegen alle drüber". Die Untergrenze seien 13,50 Euro in der Stunde, in der Gebäudereinigung etwa verdienten die meisten 14 oder 15 Euro. Dabei beziehe das Inklusionsunternehmen Lohnzuschüsse für den Besonderen Aufwand nach § 217 SGB IX, "wir werden aber auch massiv vom Integrationsamt des Landeswohlfahrtsverbands Hessen unterstützt", betont Fiehler. Er verweist auf die monatlichen Zuschüsse zu Lohn und Gehalt nach § 27 SchwbAV zum Ausgleich für außergewöhnliche Belastungen. Zudem profitierten sie von einer Spezialität des Bundeslandes: "HePas", das "Hessische Perspektivprogramm zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen", biete Arbeitgebern zusätzliche finanzielle Anreize wie Prämien und Zuschüsse, wenn sie schwerbehinderte Menschen beschäftigten.

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Marcel Böck
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Ankica Maglić

Vernetzt mit dem Berufsbildungswerk

Die GIA arbeite auch eng mit Berufsbildungswerk Südhessen im nahen Karben zusammen. "Mit ihm gibt es einen regen Austausch", sagt Fiehler. "Wir teilen ihnen mit, wenn wir beispielsweise einen Lackierer oder Maler suchen, sie wiederum fragen uns, ob wir in der und der Sparte einen Praktikanten nehmen könnten." Neues festes Personal finde sich allerdings überwiegend über Mundpropaganda. "Ob in den Schulen oder in Community von Menschen mit Beeinträchtigung, da läuft vieles über Kontakte und Weitersagen", erzählt Fiehler. "In Praktika probieren junge Leute aus, ob ihnen die Arbeit bei uns liegen könnte. Morgen habe ich schon wieder ein Bewerbungsgespräch eines 14-jährigen Schülers, der im Frühjahr für zwei Wochen zu uns kommen will, um ein Praktikum im Garten- und Landschaftsbau zu machen."  Am Ende entschieden natürlich beide Seiten, ob es passe.

Auftragslage bestimmt

Grundsätzliche gelte für die GIA wie derzeit für so viele Arbeitgeber auf der Suche nach Fachkräften: "Wirklich dauerhaft gute neue Leute zu finden, das kann gerade auch ziemlich schwierig sein." Die Auftragslage gebe den Takt für die nötige Personalstärke vor. Käme ein neuer Auftrag mit Ausschreibung hinzu, "dauert es zum Glück aber meistens sechs bis sieben Monate, bis er beginnt. Da haben wir genug Zeit, um die Teams dafür zu suchen und zusammenzustellen oder erstmal mit Springern zu überbrücken". Denn: "Wir stellen ja keine Leute auf Vorrat ein, sitzen da und warten auf Aufträge."

Seite an Seite

Wer bei der GIA anfängt, bleibt in der Regel länger. So wie der stellvertretende Geschäftsführer Ali Güngör. Der Gebäudereinigungsmeister ist zudem Bereichsleiter der Gebäudereinigung und schon seit 18 Jahren bei der Inklusionsfirma im Hochtaunuskreis. Er blickt auf die magische Tafel mit dem Arbeitsplan, spricht einen neuen Auftrag mit Fiehler ab und muss schon bald wieder los. "Unsere Leute fahren meistens in Zweier-Teams zu den Objekten", sagte er. "Eine oder einer in diesen Teams hat ein Handicap und die oder der andere nicht." In der Reinigung und Küchenhilfe der GIA etwa mit 41 Beschäftigten seien mehr als 70 Prozent Frauen. Güngör fahre raus zu den Gebäuden, um zu kontrollieren, ob der Reinigungsplan auch erfüllt sei.

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Ali Güngör
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Marcel Böck

Goldene Regeln

Güngör und Fiehler sind sich einig: Noch lange vor dem Verdienst machten andere Faktoren das gemeinnützige Unternehmen zum attraktiven inklusiven Arbeitgeber – neben der Entfernung zum Wohnort und flexiblen Arbeitsmodellen zähle vor allem der gute Teamgeist. "Unsere fünf goldenen Regeln" hängen für alle sichtbar in den Büroräumen aus. Sie reichen von Respekt über Wertschätzung von Gesprächspartnern bis hin zur Sauberkeit und netten Atmosphäre am Arbeitsplatz. Die vierte goldene Regel bringt die erwünschte Umgangskultur auf den Punkt: "Wir behandeln unsere Mitmenschen so, wie wir behandelt werden möchten." Teamleiter von GIA müssten gut einschätzen können, ob Teams zusammenpassen oder nicht. Das Kollektiv sei entscheidend, betont Fiehler: "Einzelgänger haben bei uns allenfalls eine bedingte Chance."

Gründlichkeit zählt

Das Reinigungsteam in der Strohscheinschule, zehn Autominuten von der Zentrale entfernt, kommt gut voran. In den Gängen der heilpädagogischen Förderschule ertönt gerade kein Kinderlärm, sondern das Brummen der Scheuer-Saugmaschine. Marcel Böck, der auch schon seit 19 Jahren bei der GIA arbeitet, seine Tätigkeit als Hausmeister in den ersten Jahren aber als Alleinerziehender zeitlich nicht mehr geschafft habe und zur Gebäudereinigung wechselte, desinfiziert Türgriffe, reinigt Sanitäranlagen, "eben die alltägliche Unterhaltsreinigung". Und bei der gehöre Gründlichkeit zum professionellen Anspruch.

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Vural Güler mit der Scheuer-Saugmaschine
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Ankica Maglić

Strahlende Arbeitsfreude

Wenn es einen Werbefilm über die GIA und ihr außergewöhnlich gutes Betriebsklima mit den fünf goldenen Regeln zu drehen gelte, dann stünde die Hauptdarstellerin schon fest: Ankica Maglić. Die 47-Jährige verbreitet beim schwungvollen Wischen der Schulböden eine Freude, als gebe es nichts Schöneres auf der Welt. Die Frau mit dem strahlenden Lächeln ist eigentlich als Hausmeisterin, gleichberechtigte Betriebsleiterin der Abteilung Grünpflege und vor allem in der Buchhaltung der GIA Taunus tätig. Aber weil bis März nicht so viel in den Gärten zu machen sei, hilft sie so wie heute auch mal bei der Reinigung aus. "Das macht voll Spaß", bekundet sie.

Hauptgewinn

Auch Ankica Maglić, gehörlos mit Cochlea-Implantat, einer elektronischen Hör-Prothese, ist alleinerziehend. Die gelernte Bäckerin konnte die Nacht-Arbeitszeiten in der Backstube nicht mehr mit ihren Aufgaben als Mutter eines Sohnes vereinbaren und suchte vor neun Jahren dringend etwas Neues.  Ihre Augen glänzen mit dem Boden um die Wette, als sie davon erzählt, wie sie damals auf Empfehlung des Arbeitsamts zur GIA kam. „Das passte von Anfang an super“, sagt sie. Wer ihr zusieht, gewinnt den Eindruck: Es war ein Hauptgewinn für die Firma und sie.

 

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Ankica Maglić

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