Wie ein Berliner Werkstattmitarbeiter mit Down-Syndrom Trauernden Hoffnung schenkt
Die außergewöhnliche Geschichte des Beerdigungsbegleiters Johannes Mesus

(c) Bundesregierung / Sandra Steins
Berlin, Dezember 2023 – als Bundespräsident Walter Steinmeier Johannes Mesus am Tag des Ehrenamts im Schloss Bellevue die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland überreicht, umarmen sich die beiden herzlich. Die Bilder der Verleihung zeigen: Der Bundespräsident genießt die spontane Umarmung offensichtlich sehr. Es ist eine Geste, die Symbolkraft besitzt. Von dem Mann mit Downs-Syndrom geht eine starke Wirkung aus, die auch Trauenden am Grab Halt und Hoffnung gibt. Johannes Mesus wirkt seit über fünf Jahren bundesweit als erster professioneller Beerdigungsbegleiter mit Behinderung. Wer ist dieser Mann und wie kam er zu dieser Aufgabe?
Vom Ministranten zum Tröster am Grab
Johannes Mesus, geboren in eine gläubige katholische Familie, ist seit 25 Jahren Ministrant in der Dominikaner-Pfarrei St. Paulus in Berlin-Mitte. Die Idee, insbesondere Verstorbene ohne Angehörige auf ihrem letzten Weg zu begleiten, entstand durch ein Gespräch mit Diakon Olaf Tuszschewski. "Oft stand ich an Gräbern ganz allein. Das belastet enorm", erklärt Tuszschewski. Für Johannes, der bei seinen Eltern Georg und Editha wohnt, wurde daraus eine Berufung.
Doch der Weg war nicht einfach: In der Werkstatt für behinderte Menschen, in der Johannes arbeitete, konnte er nicht einfach so freigestellt werden. Erst durch den Einsatz des Berliner Bischofs und dem Engagement der Delphin-Werkstatt des SkF konnte das Vorgehen umgesetzt werden. "Johannes hat hier einen Außendienst-Job. Seine Beerdigungsbegleitung ist Arbeitszeit für ihn", bestätigt der Werkstattleiter. Seit April 2018 begleitet er bis zu 50 Beerdigungen jährlich.


Ein Kreuz, ein Ministrantengewand und stille Präsenz
In schlichter Ministrantenkleidung steht Johannes neben dem Priester, trägt das Kreuz und geleitet Särge oder Urnen zum Grab. Sein Vater Georg, der ihn stets begleitet, erklärt: "Es geht darum, die Namen zu nennen und die Geschichten zu erzählen. Gerade wenn es keine Trauergäste gibt, ist Johannes da." Ein besonders bewegender Moment war die Beerdigung einer Mutter, deren Sohn Wolfgang, ebenfalls mit Down-Syndrom, tagelang bei ihrer Leiche geblieben war. "Johannes hat ihn am Grab einfach in den Arm genommen. Er spürt, was Menschen brauchen", erzählt der Vater.
Medienecho und ein Signal für die Kirche
Die Medien entdeckten Johannes schnell: Der Tagesspiegel berichtete, der Stern plant eine Reportage, und Der Spiegel kürte ihn Ende 2024 zu einem der "100 Menschen, die uns Hoffnung machen". Für Vater Georg Mesus ist dies auch ein Zeichen gegen die Krisen der katholischen Kirche: "Hier engagieren sich Menschen aufrichtig – das muss sichtbar werden."
Privat liebt Johannes Schnitzel mit Pommes, die Basketballer von Alba Berlin und die Fußballer von Hertha BSC. In der Werkstatt füllt er Tee und Kakao ab. Nach fast 25 Werkstattjahren hofft sein Vater auf einen Arbeitsplatz in einem Altenheim, doch zunächst bleibt die Beerdigungsbegleitung sein Lebensmittelpunkt.

Ein Modell für Deutschland?
Johannes Mesus zeigt, wie Trauerkultur menschlicher werden kann. "Er ist kein Redner, aber seine Präsenz gibt Halt", sagt Diakon Tuszschewski. Dankesbriefe von Angehörigen, manchmal Jahre später, bestätigen dies. Und während die katholische Kirche um Vertrauen ringt, steht in Berlin ein Ministrant im Messdienergewand an Gräbern und macht Hoffnung. Johannes Mesus ist ein stiller Begleiter, dessen Botschaft lautet: Kein Mensch soll allein gehen.
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