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Wie lief der 1. Hamburger Innovationskongress?

Bild Wie lief der 1. Hamburger Innovationskongress?
Eine Gruppe von Teilnehmern des 1. Hamburger Innovationskongresses sitzt in einem Kreis zusammen und diskutiert.

 23. Juni 2022 | Textbeitrag

  Haltung, Wahlfreiheit und Selbsbestimmung, Weiterentwicklung der beruflichen Teilhabe, Veranstaltungsrückblick

Endlich wieder Präsenzveranstaltungen! Endlich wieder die Möglichkeit, Kolleginnen und Kollegen nicht nur im Netz, sondern in der Realität zu treffen und mit ihnen von Angesicht zu Angesicht sprechen, streiten und lachen zu können. Diese befreiende Erfahrung war sicher auch ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des ersten Innovationskongresses von 53° NORD in Kooperation mit der BAG UB, der am 20. und 21. Juni im Hamburger Wälderhaus stattfand.

Ursprünglich war er für Mai 2020 geplant und fiel, wie alle Präsenzveranstaltungen in dieser heißen Phase der Pandemie, dem Corona-Virus zum Opfer. Jetzt also, nach mehr als zwei Jahren, der zweite Anlauf. Das hochgesteckte Ziel des Kongresses war es, Wege in den Arbeitsmarkt zu verbessern, Abläufe zu optimieren, die Zusammenarbeit der Akteure zu stärken und Impulse für bessere Rahmenbedingungen zu setzen.

Die Kooperation mit der BAG UB sollte den Teilnehmerinnen-Kreis heterogener machen und auch die Sicht- und Handlungsweisen anderer Akteure als rein die der Werkstattszene mit einbringen. Auch Leistungsträger und Gesetzgebung waren eingeladen (von denen zumindest jeweils ein Vertreter/ eine Vertreterin sich einfanden) und so trafen sich rund 80 TeilnehmerInnen in Hamburg-Wilhelmsburg. Das Tagungsgebäude mit angeschlossenem Hotel, gebaut von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, ist selber ein innovatives Projekt und bot den passenden Rahmen für das Wagnis "Innovationskongress".

Was die TeilnehmerInnen erwartete, war die Abkehr von gewohnten Kongressabläufen. Hier waren sie nicht Zuhörer und Lernende, sondern Akteure und Experten, diejenigen, die Verbesserungen bewirken können. Lediglich in einer kurzen Aufwärmphase zu Anfang berichteten KollegInnen darüber, wie sie Herausforderungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt bewältigt und welche Lösungen und Strategien sie gefunden hatten. Ansonsten verzichtete der Kongress auf jegliche Vorträge. Stattdessen benannten die TeilnehmerInnen in einem Open-Space-Prozess ihre eigenen aktuellen Fragen und Schwierigkeiten und bearbeiteten die Themen in einer ersten Kleingruppe. Anschließend verdichteten sie die Ergebnisse zu Projekten mit der Frage: Was können, was müssen wir tun, um gemeinsam eine Lösung zu finden? Zum Schluss wurden sieben Projekte benannt, die über den Kongress hinaus von eigeninitiativ zusammengestellten Gruppen weiter bearbeitet werden.

Der Kongress wurde so seinem Namen gerecht: Es war ein auf Wirksamkeit und Nachhaltigkeit angelegter Innovationsprozess entstanden, für den die Arbeitsstrukturen feststanden. Die Themen und Ziele, die Akteure und die Rollenverteilung - mit "Projekthütern", "Mitarbeitern" und "Unterstützern", die weiter daran arbeiten werden, die in Hamburg entstandenen Innovationen auch weiter umzusetzen.

Sieben Themen blieben aus den vielen Arbeitsgruppen und Diskussionen übrig, die die TeilnehmerInnen weiterverfolgen wollen. Sie lauten:

  • Werkstattübergreifende Bildung – Konzertierte Bildungsarbeit in der Region
  • Wie reduziere ich Ängste und Vorbehalte bei Arbeitgebern? – Akquisition und Arbeit mit Unternehmen
  • Arbeit in der Werkstatt, raus aus der Schmuddelecke – Kommunikationsscharniere nach außen etablieren
  • Kennzahlen des Guten – Wirksamkeit und Wirkungsmodelle
  • Wer ist hier eigentlich der Experte? – Peer-Beratung auf Augenhöhe
  • Menschen mit erheblichen Betreuungsbedarf – Die Vision eines neuen Rahmens für diesen Personenkreis in Werkstätten
  • Systemwandel Werkstatt – Einen neuen Rahmen für berufliche Teilhabe denken

Die Projekte thematisieren konkrete Verbesserungsideen, wie das regionale Zusammenlegen von Qualifizierungen, um eine größere Auswahlmöglichkeit für Teilnehmerinnen zu erreichen. Sie bearbeiten übergreifende Anliegen wie eine verbesserte Kommunikation mit Arbeitgebern, eine verbesserte Darstellung der Werkstattleistung in der Öffentlichkeit, die Etablierung von Kennzahlen zur Erfassung von Leistungen oder die vermehrte Nutzung der Kompetenz von Beschäftigten als Peer-Experten in der Beratung zu einer passgenauen beruflichen Teilhabe. Schließlich zielen sie ab auf eine Veränderung oder Erweiterung unseres Systems der beruflichen Teilhabe: Auf ein Aufbrechen von überkommenen Strukturen und Grundüberzeugungen.

Menschen mit höherem Betreuungsbedarf in der WfbM sollen andere Möglichkeiten von beruflicher und gesellschaftlicher Teilhabe eingeräumt werden als dies bisher der Fall ist. Sie sollen Aufgaben in der Gemeinde wahrnehmen können, in Kontakt mit ihrem Sozialraum treten, sichtbar werden und von den Auftraggebern Anerkennung für ihre Leistung erfahren.

Diese Vision beinhaltet eine Erweiterung bzw. Neudefinition des Arbeitsbegriffs der Werkstatt. Der letzten Gruppe geht es um einen grundsätzlichen Strukturwandel, um veränderte Möglichkeiten, wie berufliche Teilhabe definiert wird: Deutlich personenorientierter, stärker virtualisiert bzw. betriebsintegriert, enger kooperierend mit Arbeitgebern und anderen Beschäftigungsträgern und mit nur noch einem verantwortlichen Leistungsträger.

Viele Aspekte dieser Vision dürften auf der lokalen oder regionalen Ebene realisierbar sein, andere erfordern veränderte Rahmenbedingungen bis hin zu einer veränderten Gesetzgebung. Über die konkreten Ziele, Vorhaben und Umsetzungsschritte aller Projekte werden wir im KLAREN KURS+ weiter berichten.

Die Rückmeldungen der TeilnehmerInnen zum Ende der Veranstaltung waren durchweg sehr positiv: "Endlich wieder eine Gelegenheit zum Austausch und zum Netzwerken", lautete ein Tenor. Andere hatten die Erkenntnis gewonnen, dass die Probleme überall ähnliche sind: "Ich konnte viele Anregungen mitnehmen." Für die meisten war die Tagungsmethode eine Überraschung: "Erstaunlich, zu welchen Ergebnissen wir in der kurzen Zeit gekommen sind." Oder: "Schön, einmal so frei, offen und breit zu denken." Und manche bekannten einfach: "Ich habe diese zwei Tage sehr genossen."

FAZIT

Fazit der Veranstalter: Der Erfolg des ersten Hamburger Innovationskongresses macht Mut, die Reihe fortzusetzen. Konzept und Räumlichkeiten stimmen. So wie es also aussieht, wird dies nicht der letzte Hamburger Innovationskongress gewesen sein…

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