Die schärfsten Kritiker der Elche…
Eine Buchrezension
Im Jahr 2021 erschein im Kohlhammer Verlag ein Sammelband mit dem Titel »Werkstätten für behinderte Menschen – Sonderwelt und Subkultur behindern Inklusion«. Herausgeber waren Prof. Heinrich Greving, Hochschullehrer für Heilpädagogik an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Münster und Ulrich Scheibner, mehr als 20 Jahre lang Geschäftsführer der BAG WfbM. Das Buch erregte Aufmerksamkeit, lieferte es doch eine erstaunlich negative Analyse des bestehenden Werkstättensystems, verbunden mit der Forderung nach dessen Abschaffung.
Jetzt ist auf der Internet-Plattform socialnet eine Rezension erschienen, die zwei Werkstattvertreterinnen verfasst haben. Dr. Irmgrad Plößl, Abteilungsleiterin Berufliche Teilhabe und Rehabilitation am Stuttgarter Rudolf Sophien Stift und Dr. Ute Schottmüller-Einwag, Referentin der LAG WfbM Baden-Württemberg kommen zu dem Urteil, der Fokus des Buches liege einseitig auf möglichen Schwachstellen von Werkstätten und werde deshalb den Menschen, die in Werkstätten arbeiten, nicht gerecht. »Geschrieben wurde es von Autoren, die über lange Zeit die Möglichkeit gehabt hätten, die Werkstätten zu gestalten. Insofern verwundert die verbitterte Grundhaltung des Buches.«
Zwar beinhalte der Band eine wichtige Bestandsaufnahme der Schwachstellen der Werkstätten, die Analyse falle aber einseitig negativ aus. Vorzüge, Stärken und Leistungen des Systems bleiben unerwähnt. Die Sichtweise der Beschäftigten fehle fast vollständig. »Menschen mit Behinderung, die in der Werkstatt eine für sie zufriedenstellende Arbeit gefunden haben, finden keine Berücksichtigung. Dabei wäre es wichtig, auch darzustellen, welche positiven Auswirkungen das gegenwärtige System der Werkstätten hat, damit im notwendigen Prozess der Weiterentwicklung der Beruflichen Teilhabe nichts von diesen positiven Aspekten im Transformationsprozess verloren geht.«
Für eine Weiterentwicklung müssten Kritiker*innen und Vertreter*innen der Werkstätten gemeinsam mit Interessenvertreter*innen an einer Vision arbeiten. Den Autoren sei dies bisher nicht gelungen. Sie seien beruflich in unterschiedlichen Leitungsfunktionen in der Behindertenhilfe, in Werkstätten, in der Politik und in der Wissenschaft tätig gewesen. »Da bleibt die Frage offen, warum sie ihre Positionen und ihren Einfluss nicht dazu genutzt haben, Abhilfe zu schaffen und die Teilhabe an Arbeit für beeinträchtigte Menschen zu verbessern.« Die Thesen des Buches erinnern sie, so die Rezensentinnen, an den Satz von F. W. Bernstein: »Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche«.
Die komplette Rezension finden Sie hier. und das Buch ist ab sofort auch in unserem Medienversand erhältlich.
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